Bahn in Betrieb Bergfahrten: 06.30 – 14.30 / Talfahrten: 06.30 – 15.00
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Wo das Jahr zweimal beginnt

Mit dem vermutlich bekanntesten Brauch im Appenzellerland, dem Silvesterchlausen, wird das neue Jahr gleich zweimal willkommen geheissen. Ist die Tradition heidnischen Ursprungs, ist es ein Fruchtbarkeitsritus oder einfach eine Betteltour? Die überlieferten Erklärungen zur Herkunft des Silvesterchlausens fallen ganz unterschiedlich aus.

Säntis Zmittag

Erleben Sie in den frühen Morgenstunden des 30. Dezember 2023 und am 13. Januar 2024 den Brauch des Silvesterchlausen in den umliegenden Dörfer.

Verarbeiten Sie anschliessend die neu gewonnen Eindrücke bei einem leckeren Mittagessen auf dem Säntis.

Säntis Zmittag: Erwachsene ab CHF 82.– p. P. inkl. Berg- und Talfahrt.

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In Urnäsch, Hundwil, Stein, Waldstatt und Schwellbrunn wird gleich zweimal Silvester gefeiert, am Neuen Silvester (31. Dezember) und am Alten Silvester nach dem julianischen Kalender (13. Januar). Am Neuen Silvester sind in allen Appenzeller Hinterländer Gemeinden – Urnäsch, Herisau, Schwellbrunn, Hundwil, Stein, Schönengrund und Waldstatt – «Schuppel» unterwegs. Auch in Teufen, Bühler, Speicher und Gais wird am 31. Dezember der Brauch des Silvesterchlausens gepflegt. Das Silvesterchlausen ist heute ein rein ausserrhodischer Brauch, doch war er einst auch in Innerrhoden beliebt. Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Chlausen allerdings mit fünf Talern Busse geahndet. Gut möglich, dass die hohe Geldstrafe dazu führte, dass die katholischen Innerrhoder den Brauch deshalb aufgaben.

Fixer Ablauf
Der Tag beginnt für einen Chlaus schon in den ersten Morgenstunden des Silvestertages. Dann treffen sich die Mitglieder – normalerweise besteht ein «Schuppel» aus sechs bis zwölf Männern – zu einem kalorienreichen Frühstück mit Speck, Eiern und Rösti. Bereits zu dieser frühen Stunde werden die ersten «Zäuerli» angestimmt. Danach ziehen die Männer ihren «Groscht» an und begeben sich auf den «Strech». Zuvorderst der «Vorrolli», dann die «Schellechläuse», zuhinterst der «Noerolli». Gruppenweise ziehen die Chläuse durch Dorf und Tal, von Haus zu Haus. Dort angekommen, stellen sie sich im Kreis auf, schellen und rollen. Danach wird es ganz ruhig und still. Die Chläuse stimmen ein Zäuerli an. Das wiederholt sich üblicherweise drei bis viermal. Meistens erkennen die Zuhörer die Chläuse rasch am Groscht oder an ihren Stimmen, wenn sie zauren. Die Chläuse wünschen den Gastgebern «e guets Neus» und werden als Dank dafür mit Glühwein, gesottenem Most oder Wein bewirtet. Die Hausleute überreichen dem «Schuppel» beim
Abschied dezent ein Geldgeschenk, bevor die Gruppe in derselben Reihenfolge wie sie gekommen ist weiter zum nächsten Haus zieht.

Zahlreiche Theorien
Besonders beeindruckend ist es, einem «Schuppel» abseits der Publikumsströme zuzuhören. Wenn sich die Chläuse zu Fuss in Reih und Glied über die Hügel auf Haus und Stall zubewegen und dabei die Schellenlaute in der winterlichen Umgebung nachhallen, ist die Szenerie an Mystik und Schönheit kaum zu überbieten. Die Erklärungen zur Herkunft des Brauches fallen ganz unterschiedlich aus. Theorien gibt es viele: Es könnte sich um einen Brauch handeln, mit dem der Winter und böse Geister vertrieben werden sollen, um einen Fruchtbarkeitsritus oder eine Betteltour. Heute steht ganz klar das Überbringen der Neujahrswünsche im Vordergrund.

Ein Dorn im Auge der Sittenwächter
Vermutlich ist der Brauch auf den im Spätmittelalter eingeführten Nikolausfeiertag zurückzuführen. Früher feierte man nicht nur am 6. Dezember Nikolaus, sondern auch um den 28. Dezember – was nahe an Silvester liegt. Im 15. Jahrhundert wurde das Ritual immer ungezähmter. Der Adventsbrauch war deshalb (kirchlichen) Sittenwächtern zunehmend ein Dorn im Auge. Wohl deshalb wurde das Chlausen schliesslich vom Advent auf den Silvester verlegt, einem religiös unbefrachteten Tag. Die ersten schriftlichen Spuren hinterlassen die Chläuse im Appenzellerland in einem sogenannten Sittenmandat aus dem Jahr 1663. Darin wehren sich die kirchlichen Behörden gegen das «Polderen und Schellen beÿ der Nacht in Gestalt des Niclausens».

Verboten und wieder erlaubt
Im 19. Jahrhundert wurde das «Chlause» ausserhalb von Urnäsch entweder überhaupt nicht wahrgenommen oder als barbarisch empfunden. Diese Einschätzung ist mehrfach belegt durch Zeitungsartikel. Neben der «unziemlichen» Vermummung war es vor allem die Bettelei, die Unmut erregte. 1906 beschrieb ein Urnäscher Arzt die damaligen Gepflogenheiten so: «Es gibt Weber und Taglöhner, die nie so viel Geld an einem Tag verdienen wie am Silvester. Für gewisse Leute ist das ‹Chlause› fast ein Beruf.» Es gab Zeiten, da wurde das Chlausen da und dort verboten. So beispielsweise 1943 in Herisau. 1949 widerrief man diesen Entscheid wieder, weil «das Chlausen … in Urnäsch zu einer solchen Attraktion geworden sei.» Das Blatt wendete sich. Seither sind die Silvesterchläuse immer mehr zu einem Publikumsmagneten geworden

«Beim Silvesterchlausen gibt es unterschiedlich gekleidete Chlausengruppen: «die Schöne», «die Schö-Wüeschte», «die Wüeschte» und die Spasschläuse.»

«Schöni»
«Die Schöne» entwickelten sich Anfang des 20. Jahrhunderts. In aller Regel besteht ein «Schuppel» schöner Chläuse aus sechs bis acht Mitgliedern. Zwei davon – die sogenannten «Rolliwiiber» – schlüpfen dabei in eine Art Frauentracht. Zudem tragen sie ein Ledergestell um den Oberkörper, auf dem runde, geschlitzte Rollen angebracht sind. Den Kopf der «Rolliwiiber» ziert eine radförmige Haube. Die übrigen «Schuppel»-Mitglieder, die «Schelli», haben rechteckige Hüte auf dem Kopf und auf Rücken und Brust je eine Chlausenschelle. Die farbenprächtigen Anzüge sind aus Samt. Die Hauben und Hüte fertigen die Chläuse in aufwendiger und kunstvoller Handarbeit. Dazu gehört beispielsweise das Auffädeln von Tausenden von Kunstperlen. Auf den Hauben sind Brauchtums- und Szenen aus dem täglichen Leben der Träger zu sehen. Die Figuren dafür werden in stundenlanger Handarbeit geschnitzt.

«Schö-Wüeschti»
Die «Schö-Wüeschte» waren im Appenzeller Hinter- und Mittelland erstmals zu Beginn der 1960er Jahre zu sehen. Sie sind eine neu kreierte Form von Waldchläusen, weshalb sie für ihre «Groscht», Hauben und Hüte Naturmaterialien wie Föhren- und Tannenzapfen, Rinden, Moos, Tannenbart oder Schneckenhäuschen verwenden. Die Hüte und Hauben sind ähnlich wie bei den schönen Chläusen dekorativ gestaltet, so beispielsweise auch mit Schnitzereien.

«Wüeschti»
Die «Wüeschte» sind mit ihren Larven, an denen Tierzähne, Knochen oder Kuhhörner prangen, wohl die furchterregendste Silvesterchlaus-Art. Ihr «Groscht» besteht aus Heu, Stroh, Holzwolle, Wacholderbüschen, Stechlaub und anderem Naturmaterial. Der «Rolli» hält einen knorrigen Stock in der Hand, die «Schelli» tragen ihre Schellen an einem Strick quer über der Schulter.

«Spasschläus»
Wenn der 31. Dezember oder der 13. Januar auf einen Sonntag fällt, wird das Chlausen auf den Samstag vorverlegt – eine letzte Spur der früheren Konflikte mit der Kirche. Manche «Schuppel» ziehen dann am richtigen Datum noch einmal als Spasschläuse von Haus zu Haus.  Spasschläuse, auch Lumpenchläuse genannt, treten seit den 1980er-Jahren wieder häufiger auf. Früher benahm sich der in Lumpen gehüllte Lumpenchlaus, das Gesicht mit einem Fetzen als Larve verhängt, oft so unflätig, dass sein Tun von der Obrigkeit am liebsten untersagt worden wäre. Welche Gruppe als «Schöni», «Wüeschti» oder «Schö-Wüeschti» an den Silvestern von Haus zu Haus zieht, ist nicht in Stein gemeisselt. Die Witterung kann beispielsweise einen schönen «Schuppel» dazu bewegen, sich ausnahmsweise in «wüeschtem Groscht» auf den Weg zu machen. So tobte beispielsweise am Alten Silvester 2004 ein dermassen fürchterlicher Wintersturm, dass zahlreiche «Schöni» ihre kostbaren Hauben im Trockenen liessen und im «wüeschte Groscht» loszogen.

Glossar

Chlause, go chlause

als Silvesterchlaus gehen

Chlausefieber

euphorischer Zustand der Chläuse vor und während des Brauches

E guets Neus

appenzellischer Neujahrswunsch

Groscht

Gewand der Chläuse

Huube

Haube; Kopfschmuck, den die Schöne und «schö-wüeschte Chläus» tragen

Noerolli

Chlaus, der am Schluss geht

Rolli

Chlaus mit Rollen (auch «Rollewiiber»)

Schellechläus

Chläuse mit Schellen

Schuppel, Schüppeli

eine Gruppe (von sechs bis zwölf) Silvesterchläusen

Strech

von einem Schuppel gewählte Route; abgeleitet von Landstrich

Vorrolli

Chlaus, der zuvorderst geht

Zäuerli

ein wortloser Appenzeller Naturjodel

Herisauer-Mannebloch-vorne

Das Bloch

Alle zwei Jahre kommt einem prächtigen Baumstamm, der in einem Appenzeller Wald geschlagen wird, eine spezielle Rolle zu: Er wird «das Bloch» genannt und in einem Umzug auf einem mit Kränzen geschmückten Wagen feierlich durch die Dörfer gezogen. Vorne am Wagen ist ein Bogen mit dem Gemeindewappen befestigt, hinten ein Aufrichtbäumchen, an dem farbige Nastücher flattern. Die Zugmannschaft besteht aus Männern, die Kleidung traditioneller Berufe tragen: Zimmerleute, Sattler, Köche, Metzger, Förster und Bauern treffen sich jeweils in den ungeraden Jahren am Blochmontag (Montag nach Aschermittwoch) frühmorgens auf den Dorfplätzen von Herisau, Urnäsch (Erwachsenenblöcher), Schwellbrunn, Hundwil und Stein «Buebeblöcher» und machen sich auf den Weg zu den jeweiligen Nachbardörfern. Begleitet werden die Trosse von als Clowns verkleideten «Kässelibuben», sieben Reitern, einem Fuhrmann, einem Wagenmeister, zwei Musikanten, einem Schmid und einem Bären samt Wärter. Am späten Nachmittag wird das Bloch auf dem heimischen Dorfplatz versteigert (in Urnäsch, Herisau und Schwellbrunn). Mit dem Erlös wird das anschliessende Fest, der sogenannte Blochball, finanziert.

Säntis Zmittag

Erleben Sie in den frühen Morgenstunden des 30. Dezember 2023 und am 13. Januar 2024 den Brauch des Silvesterchlausen in den umliegenden Dörfer.

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